Mission Mystik – [neunzehnte Betrachtung]

„Noch gibt es aber einen weiteren Trost. Man muß wissen, daß es der gesamten Natur unmöglich ist, irgendetwas zu zerbrechen, zu verderben oder auch nur zu berühren, ohne daß sie für das, was sie anrührt, etwas besseres anstrebt.“ 
(Meister Eckhart)

Der Wille der wahren Natur der Dinge ist für alle Dinge, unbeschadet ihrer Herkunft oder Beschaffenheit, durch und durch gut. Doch da die Natur nach dem je und je Besseren für die Gesamtheit der Dinge strebt, sind es die Auswirkungen der Natur für das Individuum oft nicht. 

Wenn ein Löwe eine Antilope reißt, hat die Natur nicht das Leid oder Elend oder das Ende der Gazelle im Sinn, sondern das Wohl des Löwen. Auch reißt ein gesunder Löwe niemals willkürlich ein anderes Tier aus Bosheit, sondern selektiert die schwachen und verletzlichen Tiere aus, die Mangels eigenen Vermögens die Herde der Beutetiere unnötig schwächen.

Gegenüber dem Einzelnen scheint das Leben deswegen geradezu Gnadenlos zu sein, aber diese vermeintliche Unbarmherzigkeit resultiert letztlich nur aus unserem fehlenden Blick für das Weltganze – oder auch das übergeordnete System.

Zeit unseres Lebens erfahren wir uns als Einzelwesen, gegenüber einer größeren Gesamtwirklichkeit. Und daher schreibt Eckhart im liber benedictus auch, daß jener, der seinen Trost noch in der Kreatur sucht niemals wahren Trost und wahren Balsam für seine Seele finden kann. Wer Trost und Aufhebung des Leids im Geschaffenen sucht, statt im großen Geist der Einheit, der alle Dinge hervorbringt, der sucht schlicht an der falschen Stelle. 

Es gibt zwei Gründe aus denen Menschen nicht finden was sie suchen. Entweder suchen sie das Falsche am richtigen Ort, oder das Richtige am falschen Ort. Wer einen Gegenstand, eine Begebenheit, oder eine Segnung der Himmelswelt sucht, der kann diese Sache nur dort finden, wo die Sache oder der Gegenstand zu finden ist. 

Trost ist ja im Grunde nichts anderes, als die Aufhebung eines leidvollen Zustands. Und natürlich kann auch die Kreatur, die geschaffen wurde im Rahmen ihrer Möglichkeiten Trost und Zuspruch spenden, die unser Leid lindern. 

Aber wahrer Trost im Sinne Eckharts ist ein Trost, der nicht mehr vom Leid ausgehoben werden kann. Wahrer Trost behandelt gewissermaßen die Ursache des Leidens und nicht das Symptom der negativen Erfahrung.

Wir müssen ja mitunter auch für uns scheinbar negative Erfahrungen machen, um uns weiterentwickeln zu können. Aber ebenso ist die Linderung und die Aufhebung des Leids für unsere spirituelle Entwicklung wesentlich. Wer immer nur leidet und keinen Trost empfängt, der geht daran früher oder später innerlich zu Grunde. 

Der große Geist des Lebens – Gott selbst – bietet uns in all unserem Leid und unseren Bedrängnissen Zuflucht, Hilfe und Linderung unserer Beschwerden an. Und wir dürfen alle diese übernatürlichen Segnungen glaubend und dankend empfangen. Und noch etwas bietet Gott uns an: Über den göttlichen Funken in uns, der alles Leben hervorbringt und miteinander verbindet, sind wir mit allen Dingen, sowohl auf der kreatürlichen Ebene, als auch mit dem Schöpfer selbst auf der übernatürlichen Ebene verbunden. Und erleben wir diese Erfahrung der All-einheit, die von den Mystikern seit jeher als unio mystica bezeichnet wird, erleben wir, wie alles Leid plötzlich von uns abfällt, und wir erkennen wie in einem Moment was Eckehardt meint, wenn er vom wahren Trost spricht, der allein in der Einheit aller Dinge zu finden ist.

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