Mission Mystik – [sechste Betrachtung]

Krisenbewältigung durch Relativierung

Die zweite große Strategie die Meister Eckehart im Liber Benedictus anführt, um geistliche und körperliche Krisen zu bewältigen, besteht schlicht in der Relativierung der Leidenssituation, die dem Leidenden dabei helfen kann sein Leid einfach zu bewältigen.

Dabei ist wichtig, daß nur der Leidende selbst diesen Zusammenhang für sich – und in sich, in seinem Geist – herstellen kann. Wenn ich etwas erlebe, dann habe auch ich das Recht zu sagen, wie schlimm sich die Situation für mich de facto anfühlt.

Das ist so, als würde ich einen Gast auf Besuch zu mir nach Hause einladen. Wenn ich als Gastgeber etwa durchaus fröhlich gestimmt verkünden darf: „Meine Wohnung ist so schön klein“, würde ich – und wohl jeder andere auch – es durchaus als mittelschwere Beleidigung empfinden wenn mein Gast dasselbe, vielleicht noch dazu mit ernster Miene äußern würde.

Würde ein Mensch von außerhalb also sagen: Ist eh alles nicht so schlimm – würde das dem Leiden selbst nicht helfen – sondern ihm wohl wie blanker Hohn in der für ihn ohnedies belastenden Situation vorkommen müssen.

„Relativierung“ soll in unserem Zusammenhang auf keinen Fall „Geringschätzen“ oder „Verachten“ meinen.

//hier relativieren wir das also mal….

Der wohl am meisten missverstandene Satz des vorigen Jahrhunderts war wohl Einsteins bekannter Ausspruch „Alles ist relativ.“ Heute sagen viele Menschen „Alles ist relativ“ und meinen einfach „man kann nichts genaues sagen.“

//Dabei ist gerade der Satz “Alles ist relativ” ja selbst eine absolute Aussage.

Relativ heisst aber im Grunde nichts anderes, als „zu etwas anderen in Beziehung stehen“. Sogar Gott ist relativ, weil er – auch im jüdisch-christlichen Weltbild – zur Welt, in Beziehung steht. Wenn man an die Trinität glaubt, dann ist Gott sogar selbst ein innertrinitarisches Beziehungsgeflecht, bestehend aus Vater, Sohn und Heiligem Geist.

Relativieren meint in unserem Sinne also schlicht: „etwas zu etwas anderem in Beziehung setzen“. Und indem ich, als jemand der eine Krise seines Lebens durchlebt, mein eigenes Erleben zu dem anderer Menschen in Beziehung setze, erscheint es mir – wenn ich weise vorgehe – schon bald weniger schlimm und ausweglos.

Um das eigene Erleiden einer Krise zu bewältigen – oder den persönlichen Leidensfaktor zumindest zu schmälern – sehe ich zwei Wege.

Zum einen kann ich mir eine scheinbar ausweglos scheinende Situation dadurch entschärfen, daß ich entweder an bereits bewältigte Problemsituationen mit ähnlicher Kragenweite in meiner eigenen Vergangenheit zurückdenke, oder indem ich mir das Beispiel von Menschen vor Augen führe die ähnliches in der Vergangenheit bereits erfolgreich gemeistert haben. So sehe ich: So Ausweglos wie es scheinen mag, ist die Situation gar nicht. Und wenn ein Ausweg prinzipiell möglich ist, warum sollte er gerade mir gerade in dieser Situation dann unmöglich sein?

Zum anderen habe ich, so mir der vorangehende Schritt nicht geholfen hat, auf dieser Ebene immer noch die Möglichkeit mir das Leid anderer Menschen, denen es noch schlechter geht als mir vor Augen zu führen. Und schon lenkt sich meine Blickrichtung wieder, wie von selbst, auf das Gute das ich noch habe, die schönen Dinge die mir noch geblieben sind.

Und die Stimmung hebt sich. Das Leid schwindet. Das Licht scheint (wieder) durch.

+++ Mehr kommt bald +++

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